KOLUMNE So ist das Kleben Jan Weiler über die Lust, mit Klebstoff alles zusammenzubringen, was mehr oder weniger zusammengehört F rüher war eigentlich jeder dazu in der Lage, einen Fahrradreifen zu flicken. Ist ja auch nicht so schwer. Das hat sich jedoch inzwischen dramatisch geändert. Dasselbe gilt für die Reparatur von Kleingeräten wie Radios, welche zu reparieren schon deshalb nicht mehr nötig ist, weil kein Mensch mehr ein Radio besitzt und schon gar keines, das man öffnen könnte. Andererseits ermöglicht das BAUHAUS Fachcentrum seinen Kundinnen und Kunden, sich in allerhand Gewerken zu erproben, die früher nur Profis vorbehalten waren. Theoretisch kann man zum Beispiel sein Dach selber decken, jedenfalls wenn man sich traut. Wenn ich das versuchen würde, käme es zu dramatischem Ziegelflug, sobald der Wind etwas auffrischte. In meiner Vorstellung könnte man nämlich die Pfannen mit Ponal aufs Dach kleben, denn ich klebe praktisch alles. Dafür steht im BAUHAUS Fachcentrum eine große Auswahl an Klebern bereit, die manchmal Wunderdinge vollbringen. Zum Beispiel habe ich einmal einen Kaktus mit Zweikomponentenkleber verarztet. Er sah dann etwas dramatisch aus, das gebe ich zu. Und die Stacheln sind abgefallen. Aber er lebt und darauf kommt es an. Ähnlich wild gelang mir die Reparatur diverser Müslischalen, auch wenn ich dafür viel Kritik einstecken musste. Der verwendete Spezialklebstoff war nämlich mehr wert als die Schälchen und die sahen dann aus, als seien sie in Krakelee-Technik hergestellt worden. Und sie waren nicht mehr ganz dicht. Ein Vorhalt, der mir auch immer gemacht wird, wenn ich Bilder an die Wand klebe, weil ich Nagellöcher nicht mag. DER SCHRIFTSTELLER Jan Weiler sorgte mit seinem familieneigenen „Pubertier“ für Aufsehen. Seine Geschichten über Kinder im schwierigen Alter wurden mit Heike Makatsch und Jan Josef Liefers fürs Kino verfilmt. Im Herbst 2017 gab’s zudem eine Serie im ZDF. Weiler lebt in Umbrien und Oberbayern, wo er regelmäßig Ausflüge ins nächstgelegene BAUHAUS unternimmt. Meistens obsiege ich gegen das Material, was auch daran liegt, dass ich sehr viel Klebstoff verwende. Wenn ich früher mit meinem Sohn ein Modellauto zusammengebastelt habe, sah es hinterher so aus, als habe man es in Kunstharz gegossen. Die Teile konnten gar nicht anders als aneinanderzuhaften. Der Spielwert solcher Modellautos ist gering, zumal sich die Räder nicht bewegen. Aber sie sehen toll aus und das lasse ich mir nicht nehmen. Außerdem mag ich den betörenden Geruch von Kleber. Möglich, dass er den Ausschlag für meine Begeisterung gegeben hat. Gut, es gab auch Misserfolge. Als wenig ersprießlich stellte sich mein Versuch heraus, Gardinenstangen an die Wand zu kleben. Ich erwarb dafür einen Montagekleber, von dem es auf der Tube hieß, er klebe quasi alles bombenfest zusammen, besonders Gardinenstangen und Wände. Davon konnte aber keine Rede sein. Der Halter der Stange plumpste mitleidlos zu Boden, noch bevor ich die Stange überhaupt eingesetzt hatte. Vorher hatte ich es mit Dübeln versucht, aber ich kam mit meinem Akkuschrauber nicht weiter als in den Putz. Ich lieh mir eine Schlagbohrmaschine und auch diese drang nicht in den Stahlbeton vor. Eine armselige Bohrleistung und verletzter Stolz führten dann zu der Klebe-Aktion. Es war so bitter, zumal es sich um die Gardine in der Wohnung meiner Tochter handelte. Ich hatte angegeben wie eine Tüte Mücken, dass der Vorhang innerhalb von zehn Minuten hängen würde. Und dann schaffte ich es nicht, kein bisschen. Nicht mit Bohren, nicht mit Kleben. Zu meinem größten Verdruss wurde das Problem schließlich von einer studentischen Hilfskraft gelöst, die mit einer riesigen Profimaschine auftauchte und innerhalb von einer Minute sechs tadellose Löcher in den Beton trieb. Enttäuscht, nein, verbittert fuhr ich nach Hause. Dort stand das Fahrrad meines Sohnes im Flur. Er wollte es zum Fahrradhändler bringen, weil der Hinterreifen platt war. Aber nicht mit mir. Flicken kann jeder. Ich überwand nach einer Stunde die schreckliche Nabenschaltung und schaffte es, den Schlauch ins Wasser zu halten. Dann raute ich das Gummi auf und gab Gummikleber auf das Loch. Man muss ihn antrocknen las- sen. Eine Viertelstunde sah ich dem Kleber dabei zu und genoss sein Aroma. Dann klebte ich den Flicken drauf. Ich schlug meinem Sohn vor, noch ein Loch in den Vorderreifen zu piksen, um ihn flicken zu können. Er erklärte mich für verrückt. Mir egal. Ich klebe, also bin ich. 78 ILLUSTRATION: Till Hafenbrak; FOTO: Tibor Bozi
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